Logbuch
Aktuelle Position
Hier ist unser Schiffseigenes-online-Logbuch. Im Jahre 2013 besser
bekannt als Blog. Der Begriff Logbuch gefällt uns aber besser. So
bewahren wir immerhin ein Stück nautischer Kultur, finden wir.
Romantiche Strecken
Sonntag, 16. Juni
Montag in der Früh legen wir ab. Während Lasse uns aus dem
Hafenfahrwasser manövriert, plane ich die Tagesroute mit Hilfe
von Seekarten und Kartenplotter.
Wir möchten heute zu dem 22 sm entfernten Dragesviken segeln.
Dragesviken ist ein Tipp, den wir von einer Finnin bekommen
haben. Mal sehen. Wir sind gespannt.
Beim Planen der Route stelle ich fest, dass wir uns zwischen zwei
möglichen Routen entscheiden müssen. Die Erste verläuft
außerhalb der finnischen Schären. Sie ist kürzer, schneller und
langweiliger. Die Zweite verläuft mitten durch die
Schärenlandschaft: Ein längerer Weg mit ständigem Kurswechsel im
sehr engen Fahrwasser. Wir entscheiden uns für die Zweite, oder
wie wir sie an Bord nennen; die Romantische Strecke. Das „s“ bei
„Romantische“ wird dabei bewusst weggelassen und bei „Strecke“,
sprechen wir das Anfangs „s“ scharf aus und ohne das gesprochene
„ch“: Es entsteht das Wort für unsere nächsten Segeltörns:
Romantiche Strecke.
Der Name macht der Strecke alle Ehren. Die finnischen
Schärenlandschaft hat uns gefangen. Geht das überhaupt noch
besser?
Wir kreuzen in dem engen Fahrwasser unserem Ziel Meile für Meile
entgegen. Normalerweise finden, wir das Kreuzen lästig. Nicht
umsonst beschreibt folgender Spruch das Kreuzen sehr genau:
Doppelter Weg, bei dreifacher Arbeit und vierfacher Zeit.
Dieses mal empfinden wir das aber nicht so, denn durch das
Kreuzen kommen wir immer an die Grenzen des Fahrwassers
heran.
Wir kommen an den Inseln richtig dicht heran. Teilweise auf bis zu
unter 15 Meter. Manchmal hören wir dann sogar die Vögel aus dem
Wald zwitschern.
„Als wenn wir auf einem Bach im Wald segeln“, sage ich staunend
zu Lasse.
Dragesviken ist sehr schön und absolut empfehlenswert. Die
Koordinaten für diesen schönen Fleck Erde bzw. Fleck Wasser
möchten wir gerne weitergeben: 59° 59,0' N / 24°25,5' E.
Der nächste Tag bringt gleiche Windbedienungen. Wir kreuzen
knapp 40 sm weit nach Älgö.
Laut Hafenhandbuch soll hier ein kleiner Hafen liegen mit
folgender Ausstattung: Einer Information, einem Café, einer
Grillstelle, Trinkwasser, Toiletten, Sauna, Spielplatz und einem
Naturpfad.
Als wir in Älgö festmachen erkennen wir nach einem kurzen
Landgang, was der Hafenführer eigentlich meinte:
•
Information heißt hier; ein Infoblatt über die Region.
•
Café heißt hier; es gibt ab und zu geräucherten Fisch zu
kaufen. Grillstelle heißt hier; es gibt eine Holzbank.
•
Trinkwasser heißt hier; trinke etwas aus dem 500 m
entfernten See.
•
Toilette heißt hier; Plumsklo in einer skandinavisch
typischen roten Holzhütte. Toilettenpapier wird selbst
mitgebracht und mit Mutter Erde wird gespült.
•
Sauna heißt hier; bitte rufen Sie diese Nummer 5 Std.
vorher an, dann wird die Sauna warmgemacht.
•
Spielplatz bedeutet hier; an der Wand des Fischergebäudes
ist ein Dartspiel aufgehängt.
•
Naturpfad bedeutet hier; Naturpfad.
Wer die Innere Ruhe sucht ist hier bestens aufgehoben. Natürliche
Ruhe und Schönheit, pur! Für mich bisher der schönste Ort auf
dieser Reise. Neben uns sind noch 3 andere Schiffe hier. Alles
Finnen.
Am nächsten morgen sind unsere Nachbarn schon früh los. Ich
nutze die Gelegenheit und schieße von der Legat viele Fotos.
Eine tolle Kulisse.
Nach der Fotosession laufen auch wir in Richtung Hanko aus. Auf
dem Weg nach Hanko, müssen wir zur Abwechslung mal nicht
Kreuzen. Wir genießen die Schären mit leichten achterlichen
Winden. Teileweise machen wir nur 1,5 Kn Fahrt.
Normalerweise würden wir jetzt den Motor starten. Heute aber
nicht. Wir haben heute nicht das Verlangen möglichst schnell ans
Ziel zu kommen. Schließlich ist die Reise das Ziel. Heute
empfinden wir besonders so.
Hanko ist O.K. Aber kein unbedingtes muss. Wir bleiben eine
Nacht. Zufälliger Weise treffen wir in Hanko alte Bekannte wieder.
Ein Regattaboot unter britischer Flagge. Das englische Paar haben
wir bereits mehrere Male im Baltikum getroffen. Leider liegen Sie
seit einigen Tagen in Hanko fest. Ihr Kartenplotter streikt und erst
in 2 Tagen kommt das Austauschgerät. Sie haben den gleichen Typ
wie wir auch. Sollte uns das nervös machen?
Der Wetterbericht verspricht für die nächsten Tage nichts gutes.
Bewölkte Tage mit viel Wind, nachts sogar mit Stürmen bis zu 8
Beaufort.
Wir suchen uns deshalb einen geschützten Hafen innerhalb der
Schären aus, Bruksviken. Wir machen auf der Leeseite eines 40-
Fuß-Schiffes fest. Gut geschützt, denken wir.
Der Sturm kommt wie angekündigt. Mehrere Male kontrollieren wir
unsere Leinen, ob sie den Druck aushalten. Schließlich regnet es
stark. Wir verschwinden unter Deck und schauen einen Film.
Plötzlich gibt es einen Knall. Das kam nicht vom Film. Innerhalb
von 1,5 sek. schaffe ich es aus einer liegenden Position in
Unterwäsche im Salon ins regnerische und stürmische Cockpit. So
schnell ging das noch nie. Lasse kommt ebenfalls blitzartig ins
Cockpit. Da sehen wir es.
Neben uns hat ein weiteres riesen Segelschiff festgemacht. Mit
seinen geschätzten 12 Tonnen Verdrängung ist es durch die
Bewegung im Hafen zu uns rüber getrieben. Dazu sei gesagt, dass
sowohl dieser Riesenpott als auch wir achteraus nur an einer
Heckboje befestigt sind. Nicht Ideal bei Sturm, aber der Hafen
bietet nun mal keine andere Heckbefestigung. In Unterwäsche und
strömenden Regen bei Sturmböhen von 8 Bft. verlegen wir
weiteren Leinen und positionieren die Fender neu.
Ich klopfte am Nachbarschiff um Sie zu bitten auch Ihre Fender
neu zu positionieren. Nach mehreren höflichen anklopfen, scheint
hier keiner an Bord zu sein. Ich klettere daher auf das Schiff und
positioniere deren Fender neu. Gar nicht so einfach. Deren
Freibord liegt höher als unser Baum.
Obwohl wir unsere Befestigung an Land optimiert haben und sich
die Legat nicht mehr so viel bewegt, haben unsere Nachbarn nicht
an Ihren Festmachern etwas verändert. Immer wieder treiben die
Nachbarschiffe bei Böen zu uns herüber. Ich bin total unruhig,
finde kein Schlaf und bin besorgt um das Schiff. Das letzte Mal als
ich auf die Uhr schaue ist es halb Vier nachts.
Am nächsten Tag segeln wir nach Pargas Port. Wir kommen gut und
schnell voran. 15 sm vor Pargas Port streikt auf einmal unser
Kartenplotter. Immer wieder schaltet er sich von alleine ab.
Komisch, denke ich. Mache mit aber keine weiteren Gedanken.
„Im Hafen setze ich ihn auf Werkseinstellungen zurück, dann wird
das schon“, mache ich Lasse und mir Mut. Bis nach Pargas Port
navigieren wir also mit Papierseekarte. Geht auch. Ist sogar
aufregender und ein Zeitvertreib mehr.
In Pargas Port angekommen, befasse ich mich sofort mit dem
Plotter. Setze Ihn auf die Werkseinstellungen zurück. Das war's.
Gar nichts geht mehr. Kaum habe ich ihn zurückgesetzt, startet der
der Plotter sein System nicht mehr. Er hängt sich immer wieder
auf...
Mit dem Manual in der einen und dem Händler aus Deutschland am
Telefon in der anderen Hand, tüftle ich weiter am Gerät herum.
Nichts. Kein Lebenszeichen. So ein Ärger. Beleidigt und ohne eine
weiteres Ass im Ärmel gebe ich weitere Versuche auf.
Am nächsten Tag beschließen wir nach Turku zu segeln. Finnlands
fünftgrößte Stadt ist bekannt für die gute Infrastruktur, was
Wassersportbedarf angeht.
Mit Papierseekarte navigieren wir uns nach Turku. Kurz vor der
Hafeneinfahrt müssen wir noch eine letzte Engstelle passieren.
Mittlerweile stellt so eine Engstelle kein Problem mehr da. Zu viele
haben wir in letzter Zeit passiert, als dass wir jetzt noch nervös
werden.
Plötzlich höre ich es piepen. Das Echolot schlägt Alarm. Das Gerät
zeigt nur noch 2,2 Meter Tiefe an. Da stimmt etwas nicht. Noch
während ich die das Ruder umschlage und mit dem Schoten
probiere Fahrt aus dem Schiff zunehmen hören wir es unten am
Schiff rumpeln und knarren. Wir haben Grundberührung. Motor an
und Segel dichter ziehen, damit wir mehr Schräglage bekommen.
Nach einer Minute sind wir befreit. “Autsch. Misst. Sch... “, und
noch weiter Fluche ich im Cockpit.
Wieso? Wie konnte das passieren? Nach kurzer Beruhigung finden
wir den Fehler. Wir haben schlicht Weg eine Tonne übersehen.
Verdammt, so etwas darf nicht passieren gebe ich mir selbst die
Schuld. Ich selber stand ja an der Pinne.
Kurz vor der Gefahrenstelle hatten wir noch Rote Grütze gegessen.
Das hat uns abgelenkt. Wir waren nicht mehr so konzentriert. Ein
Fehler aus dem wir jetzt gelernt haben. Auf die harte Variante.
Unruhig segeln wir die restlichen Seemeilen nach Turku in den
Hafen. Obwohl im Hafen starker Wind weht und die Strömung uns
auch stark verschiebt, verläuft unser Anleger sehr gut.
Es ist Samstag 16.30 Uhr. Sofort machen wir uns auf die Suche nach
einem Vertragshändler von unserem Kartenplotter. Denn obwohl
die Firmeneigene Homepage nur einen Händler in ganz Finnland
anzeigt, glauben wir daran nicht und fragen den Hafenmeister
nach mehr Informationen.
Der Hafenmeister ist ein ausgeschlafener Mann, Mitte 30 und steht
seinem Aussehen zu urteilen beim gegenüberliegenden Geschlecht
hoch im Kurs. „So einen können wir nach einer Disco, aber nicht
nach einem Bootselektriker fragen“, denke ich noch.
Ich habe mich getäuscht. Nach dem wir unser Problem erklärt
haben, verspricht er uns in 10 min. an Bord zu kommen und sich
das Gerät anzuschauen. Sieben min. später klopft es. Er kommt an
Bord. Er schaut sich das Gerät an, macht mit seinem Smartphone
ein Foto davon und ruft noch während er bei uns im Cockpit sitzt
irgendjemanden an. Nach zwei Minuten legt er wieder auf. Leider
ohne Erfolg. Er ruft drei weitere Nummern an. Wir verstehen kaum
ein Wort, hören aber immer wieder die Worte: „Lowrance HDS
8m“, „Chartplotter“, „Garanty“ und „Problem“. Letzteres am
meisten.
Er verschwindet wieder an Land um im Internet nach neuen
Kontakten zu suchen. Wir treffen uns kurze Zeit später. Er drückt
mir einen Zettel mit drei Adressen in die Hand.
„Theese shops sells your Chartplotter in Turku. On Monday I will
call them. That's the plan“
„That's the plan. Thankyou“
Wir freuen uns über die Unterstützung vom Hafenmeister. Deshalb
entscheiden wir uns trotz der 30 € Hafengebühr am Tag hier zu
bleiben.
Am Abend schauen wir einen Film. Eine Komödie. Wir lachen viel
und vor allem laut. Wir haben Spaß. Das Schiff neben uns vielleicht
weniger.
Es ist Sonntag. Es regnet seit Stunden ununterbrochen. Wir
verkriechen uns unter Deck. Lasse surft im Internet, checkt E-Mails
und stöbert im Sozialen Netzwerk Facebook herum. Ich schreibe
diese Zeilen hier. Regentag. Seit langer Zeit kramen wir den
Heizlüfter wieder heraus.
Grüße,
Daniel und Lasse