Logbuch
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Hier ist unser Schiffseigenes-online-Logbuch. Im Jahre 2013 besser
bekannt als Blog. Der Begriff Logbuch gefällt uns aber besser. So
bewahren wir immerhin ein Stück nautischer Kultur, finden wir.
Für Quereinsteiger
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Süßwasserfahrt
Sonntag, 25. August
Nach drei Wochen folgt nun ein weiterer Logbucheintrag. Für die
Verspätung möchten nicht wir, sondern ausschließlich ich mich
entschuldigen. Ich habe das Laptopladekabel im Büro des
Hafenmeisters auf Öja liegen gelassen.
… und ohne Ladekabel ist so eine Aktualisierung der Webseite eine
recht kurzweilige Angelegenheit.
Jetzt aber zurück zum Geschehen:
In zwei heißen oben ohne Segeletappen erreichen wir Mem. In Mem
mündet der Göta Kanal in die östliche Ostsee. Für manche startet die
Kanalfahrt hier und für andere endet sie hier. Für uns beginnt sie hier.
Schwedens größtes Abenteuer, wie es in Broschüre heißt.
Unmittelbar vor der ersten Schleuse in Mem findet sich ein Steg zum
Anlegen. Es ist 16.00 Uhr nachmittags. Der Kanal hat bis 18.00 Uhr
geöffnet. Wir beschließen in Ruhe anzulegen, um das Schiff und die
Besatzung physisch und psychisch für die fast 200 km lange Kanalfahrt
und die 58 Schleusen vorzubereiten. Unser erstes Mal verschieben wir
auf morgen. Für den zweideutig denkenden Leser; das Schleusen ist
gemeint.
Viel mehr möchten wir heute uns bei der östlichen Ostsee bedanken
und in Ruhe Abschied von Ihr nehmen. Mehrere Monate haben wir auf
Ihr gelebt, oder viel mehr erlebt. Sie war unser Grundstück sozusagen.
Die Legat unser 1-Zimmer Haus.
Ein paar nette und bewegende Worte sind wir schuldig, wie wir
meinen.
Kurz nach dem Anlegen spazieren Lasse und ich zum Kanalbüro. Wir
möchten unser Ticket abholen. Gebucht und bezahlt haben wir schon
über das Internet. Das gab 5% Rabatt. Pfiffig, oder?
Der Kanalbüroangestellte und gleichzeitig Schleusenwart für Schleuse
1/58 händigt uns einen ganzen Brockhaus an Flyern, Infoblättern,
Karten und Quittungen aus.
Er weist uns auch in die spezielle Leinentechnik zum
Aufwärtsschleusen ein. Das Prinzip ist einfach: Es werden für vorn und
hinten jeweils 15 m lange Leinen benötigt. Die vordere Leine wird
etwa eine halbe Schiffslänge voraus um einen Ring gelegt. Zurück am
Schiff wird Diese mit Hilfe einer Umlenkrolle über die Vorshotwinsch
nach hinten ins Cockpit verlegt. Während des Schleusens wird diese
Leine mit der Winschenkurbel ständig stramm gehalten. Mit der
Heckleine wird weniger Aufwand betrieben. Diese wird in einen
rechten Winkel an einen Ring an Land festgemacht. Die Leine bleibt
während des ganzen Schleusenvorgangs stramm.
Wer mehr über das Aufwärtsschleusen erfahren möchte, dem
empfehlen wir die Online Video Plattform: YouTube. Hier gibt es
zahlreiche Lernvideos, oder wie die Globalisierten unter sagen:
Turtorials zu der der speziellen Leinentechnik. Viel Spaß beim
ansehen.
Mit dem Brockhaus zurück an Bord bereiten wir das Schiff vor. Lasse
fendert das Schiff an Steuerbord ab. Ich krame die Umlenkrolle aus
der Backkiste heraus. 20 min. Tüftelarbeit später ist das Schiff bereit
für den neuen Streckenabschnitt. Bei der Crew, Lasse und mir, sieht
das anders aus. So richtig bereit fühlen wir uns noch nicht. Wir haben
viele Schauergeschichten über das Schleusen im Göta Kanal gehört und
haben … lassen Sie mich es vorsichtig und nicht zu weichbubig
ausdrücken: sehr großen Respekt davor.
Es ist 17.00 Uhr. Wir kommen mit einem deutschen Segelpaar ins
Gespräch. Die beiden haben den Göta Kanal schon sieben Mal
durchquert. Richtige Kanalhasen also. Wir fragen Sie aus. Probieren
jeden wertvollen Tipp zu bekommen. Geduldig antworten Sie.
Während unseres Gespräches schleust gerade eine Fähre aufwärts.
Lasse und ich verfolgen das Drama. Der Jungmatrose an Bord bekommt
einen gehörigen Einlauf vor versammelter Mannschaft, weil er zu
langsam die Fender versetzt hat. Die Konsequenz: Das Schiff knallt mit
der Bordwand gegen die steinige Schleusenwand. Ein unangenehmes
lautes Geräusch entsteht.
Nach dem Schleusen der Fähre gucke ich Lasse an:
„So geht das nicht weiter. Wir schleusen heute noch. Nicht erst
morgen. Sonst bekomme ich heute Nacht kein Auge zu“.
Lasse geht es ähnlich. Wir legen ab und machen keine zwei Minuten
später ganz hinten in der Schleusenkammer fest.
Es läuft alles wie geschmiert. Natürlich quietscht hier und ruckt da
etwas, aber das gehört dazu. Es bleibt alles in Ordnung. Schleuse 1
von 58 geschafft. Hub 3 m. Das langt für heute.
Kurz hinter der Schleuse finden wir einen idyllischen Steg zum
festmachen. Der gehört uns!
Zeit zum Abendessen. Gebratene Nudeln mit geschlagenen Ei werden
serviert. Bordküche eben. Schmeckt.
Für die Passage von Mem nach Göteborg, haben wir uns 16 Tage Zeit
genommen. Genügend Zeit um das Reisetempo herunter zu schrauben.
Tagesziel: Söderköping. Entfernung: 3 sm. Fahrtzeit: 1 Std.
Pinkelpause gibt’s nicht.
Das Segeln ist auf dem gesamten Kanal verboten. Zu hoch wäre das
Risiko einer Kollision mit einen anderen Schiff. Unser mittlerweile ans
Herz gewachsene fast 40 Jahre alter Dieselmotor wird dabei ordentlich
auf die Probe gestellt. Aber keine Sorge. Lasse und ich haben Ihm vor
der Fahrt aufrichtig nett zugeredet. Für die bisher geleisteten Dienste
haben wir uns bedankt und uns für eine weitere zuverlässige
Zusammenarbeit ausgesprochen. Unser Deal: Für Öl und Diesel
bekommen wir sieben ungezähmte Pferdestärken zu spüren.
Bis zu dem Hafen von Söderköping erwarten uns zwei weitere
Schleusen. Beide meistern wir mit Bravour. Ganz im Ernst. Wir
schleusen im Konvoi mit zwei anderen Schiffen. Bei den anderen
Schiffen hat der Schleusenwärter immer Verbesserungsvorschläge zu
Fendern und Leinen. Wir hingegen bekommen den hochgestreckten
Daumen zu sehen.
Die Schleuse in Söderköping ist besonders aufregend. Schätzungsweise
50 Schaulustige stehen um uns herum und verfolgen das Spektakel. Die
Hauptdarsteller sind wir. Professionell und cool spielen wir unsere
Rolle.
In Söderköping ist ordentlich remmidemmi auf den Straßen. Eisläden,
Cafés, Butiken und Musiker reihen sich aneinander. Es fühlt sich wie
ein Hafenfest im Flensburger Hafen an. Fehlt nur noch
Krabbenbrötchen und Grillwurst.
Nach einen kurzen Stadtbummel zieht Lasse sich zurück an Bord, um
zu Hause von unseren ersten Kanaltag zu erzählen. Ich hingegen suche
einen Friseur auf. Seit Polen ist viel Zeit vergangen, das baldige
Vorstellungsgespräch und erneuter Damenbesuch steht bevor. Es nützt
alles nichts; ein neuer Schnitt muss her.
Nach Söderköping folgt Norsholm. Ein langweiliger Hafen in einem
langweiligen Ort. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Es ist schön,
aber eben langweilig. Schön langweilig.
Am nächsten Fahrttag überqueren wir den Roxensee. Am anderen Ufer
des Sees stehen wir vor der Schleusentreppe von Berg. In sieben direkt
hintereinander liegenden Schleusen werden wir 18,8m hoch getragen.
Ein großer Fahrtstuhl. Spannung und Neugier überkommt uns während
wir am Fuß der Schleusentreppe auf unsere Erlaubnis zum betreten
warten.
Zwei Stunden später und 18,8 m höher, haben wir einen netten
Ausblick. Wir sind auf/in Berg angekommen. Das Schleusen ist mit der
Zeit zur Routine geworden. Jeder weiß was er zu tun hat. Jeder
Handgriff und jede Bewegung wurde optimiert und perfektioniert. Wir
haben den Dreh raus.
Am selben Abend machen wir in Ljungsbro fest. Ljungsbro ist ebenso
idyllisch wie der Rest des Kanals. Eine natürliche Bucht direkt im
Kanal. Wer das Big City Life sucht, ist hier falsch. Remmidemmi mäßig,
ist Ljungsbro toter als tot.
Den nächsten Tag beginnen Lasse und ich getrennt. Während Lasse sich
ein paar Mal in der Koje noch umdreht, sitze ich im Bus nach Linköping
und habe zwei Missionen zu erfüllen:
1.Mission: Janneke vom Bahnhof abholen
2. Mission: Ein neues Ladekabel für den Laptop kaufen.
Die erste Mission gelingt mir. Die zweite nicht. Janneke ist eine gute
Freundin von mir aus der Heimat. Sie wird uns die nächste Woche an
Bord begleiten. Klartext: Lasse und ich erleben wie schon zu Janinas
Besuch viele kulinarische Höhepunkte. Die Freude ist groß.
Zurück an Bord. Wir verlassen Ljungsbro und möchten die
Schleusentreppe von Motala erreichen. Wir kommen gut voran. Die
vielen Brücken auf dem Weg passieren wir ohne größere Wartezeiten.
Lasse steht in der Kombüse, Janneke liest und ich steuere.
Irgendwo zwischen dem Zwiebeln anbraten und dem zweiten Kapitel in
Jannekes Buch, läuft die Legat nicht mehr. 1,5 kn Fahrt. „Bin ich
schon wieder gegen den Gashebel gekommen“, gebe ich mir selbst die
Schuld. Ich gebe mehr Gas. Der Hebel liegt auf dem Tisch und
trotzdem machen wir nur 2 kn Fahrt. Warum? Angezogene Handbremse
fällt beim Segelboot schon mal weg. Hat die Legat keine Lust mehr?
Hält der Motor sich nicht an die Abmachung? Bitte nicht. Ich sortiere
meine Gedanken. Moment. Ich gucke Außerbords. Da stimmt doch
etwas nicht. Das Ruder erscheint riesen groß im Wasser. Lasse gibt mir
Recht. Da stimmt etwas nicht. Wir nehmen fahrt aus dem Schiff. Da
sehen wir es. Die Legat hat einen ganzen botanischen
Unterwasserseegarten im Schlepp. Kein Wunder, dass wir kaum
Geschwindigkeit laufen – bei dem Reisegepäck. Lasse hält Kurs. Ich
steige von Bord und tauche mehrere Mal unter das Schiff, um die
blinden Passagiere von Bord zu schmeißen.
Die Legat nimmt wieder Fahrt auf und läuft freudig vorwärts. Zum
Glück hat sich nichts in die Schiffsschraube verirrt. Lasse widmet sich
wieder seinen Spaghetti mit roter Soße.
Kurze Zeit später vertäuen wir das Schiff direkt vor der
Schleusentreppe von Motala. Heute kommen wir nicht weiter. Der
Kanal und somit die Schleusen haben geschlossen. Macht aber auch
nichts. Zusammen mit zwei anderen Schiffen liegen wir geschützt und
umgeben von Wald. Hübsch. Einzig der Weg zu den Toiletten stellt eine
Herausforderung da. Die Toiletten liegen oberhalb der
Schleusentreppe. Im Falle des natürlichen Dranges dort hin zu
gelangen, werden neben den 300 m langen Weg, einen zusätzlich 15,3
Höhenmeter abverlangt.
„Da musst du rechtzeitig los gehen“, grinst Lasse mich an.
Den folgenden Tag verbringen wir in Motala. Es ist heiß. Wir essen Eis,
baden, grillen und prosten uns am Abend gegenseitig zu.
Sommerurlaub.
Auf Empfehlung mehrerer Segler laufen wir am nächsten Tag Vadstena
an. Vadstena liegt auf dem Vätternsee, und ist als Ort ähnlich wie
viele andere schwedische Ortschaften. Gemütlich, Familiär, klein,
ruhig, heil, gepflegt, bunt. Der Hafen in Vadstena ist etwas
besonderes. Er liegt im Burggraben von der Vadstena Burg. Ehrlich!
Das Heck liegt nur wenige Meter von der Burgmauer entfernt. Toller
Anblick. Wir fangen das Bild mit der Kamera ein.
Die Überfahrt an das andere Ufer des Vätternsees ist ein Segeltag. Ein
sportlicher Segeltag. Sportlich heißt: viel Wind, kurze steile Welle,
gereffte Segel und Unordnung unter Deck. Wasserspritzer bis ins
Cockpit und Ölzeug sind eh inklusive.
Nach ein paar Stunden harter Arbeit an der Pinne erreichen wir
Forsvik. Forsvik ist ein weiteres Etappenziel auf unserer Reise. Es
markiert den höchsten Punkt. 92 Meter über normal Null. Da müssen
wir erst einmal den Druck mit den Ohren ausgleichen.
Wir machen in Forsvik längsseits fest. Während ich noch eine Spring
verlege, spricht mich unsere Bootsnachbarin an:
„Hejhej, wollt Ihr meine Kinder sein? Ich lade Euch zu Kaffee und
Keksen ein“
„Das klingt toll. In 10 min. würden wir rüber kommen, wenn das passt.
Danke“
„Ja. Das wäre gut. Tee kann ich auch machen“
So kommt es, dass wir drei den Nachmittag mit einem aufgedrehten
schwedischen Pärchen verbringen. Kaffee, Tee, Kekse und
Zimtschnecken werden serviert. Klönschnak ist angesagt.
Die Gastfreundschaft unserer neuen Bekanntschaft,wächst von Minute
zu Minute. Am Abend werden wir von Ihnen zu einem Konzert
eingeladen. Wir finden gefallen an der spontanen Idee, und machen
mit. Um 19.00 geht’s los. Das Konzert findet in alten
Industriegebäuden statt. Das Ambiente ist einmalig. Wir geben uns
gegenseitig Getränke aus. Die Musik ist schön zu hören. Es wird ein
feuchtfröhlicher Abend.
Wir schlafen gründlich aus und verbringen nach einer kurzen Fahrt den
Rest des warmes Sommertages in Töreboda.
Am nächsten Tag machen wir Halt in Norrkvarn. In Norrkvarn steht ein
aufwendig gebautes Modell vom Göta Kanal. Mit vielen Details wurde
hier Schwedens größtes Abenteuer in klein ausgestellt. Wir laufen
unsere bisherige Kanalreise ab. Einmal mehr wird uns klar, dass der
Göta Kanal ein enormes von Menschen Hand erschaffendes Bauwerk
ist. Dies scheint mir der richtige Zeitpunkt für ein bisschen Geschichte
zu sein: Knapp 60.000 Soldaten haben 22 Jahre lang für die Ost-West
Verbindung hart gearbeitet. Teilweise erlitten Sie den Tod. Die 190 km
lange Ausgrabung des Kanals wurde von Hand erledigt. Die feierliche
Einweihung des Kanals geschah am 26. September 1832. Baltzar von
Platen, der Leiter des Projekts, war es nicht vergönnt, die Krönung
seines Lebenswerkes zu erleben. Er verstarb 1829, ca. 3 Jahre vor der
Einweihung. Der Kanal war Jahrzehnte lang eine der wichtigsten
Handelswege Europas. Durch neue Dimensionen im Schiffsbau, wurde
er mit der Zeit zu schmal und zu flach. An Schiffen mangelt es ihm
heute aber trotzdem nicht. Mehrere tausend Sportboote verkehren
jährlich zwischen Sjötorp und Mem auf dem Göta Kanal umher.
In Lysrestadt, einen Fahrttag weiter, steigt Janneke von Bord. Ab jetzt
heisst es wieder: Nudeln satt. Gekocht, gebraten mit roter oder heller
Soße. Mjam-mjam!
Lasse und ich fahren am selben Tag bis Sjötorp. Genauso wie in Mem;
endet oder beginnt die Göta Kanal Reise hier. Für uns endet sie hier. Es
war ein toller Streckenabschnitt auf unserer Reise. Komplett anders,
als die bisherige Reise. Ruhe, Geborgen- und Gelassenheit zeichnen
das befahren des Göta Kanals aus. Das Schleusen dient dabei als
Adrenalinspritze für zwischendurch. Ich bin überzeugt von einem
Wiedersehen.
In Sjötorp lernen wir David kennen. David ist 66 und Weltumsegler. Vor
fünf Jahren hat er in Australien die Leinen gelöst. In diesem Jahr ist er
auf der Ostsee gesegelt. Ich habe schon etliche Zeilen von und über
Weltumsegler gelesen. Einen begegnet bin noch nicht. Ich spreche Ihn
auf seine ungewöhnliche Route an:
„Warum segelst du nicht die Barfußroute am Äquator mit dem
Passatwind von achtern?“
„Ich möchte die Welt umsegeln. Und nicht am Äquator längs segeln.
Hast du eine Palmeninsel gesehen, hast du alle gesehen.“
Er erzählt mir von Problemen mit seiner Rollfockanlage. Ich biete Ihm
meine Hilfe an. Er nimmt Sie dankend an. Zwei Stunden später ist der
Patient geheilt. Das Werkeln mit David hat Spaß gemacht.
1. Weil es nicht unsere Rollfockanlage ist.
2. Weil bei Ihm genauso viel schief geht, wie bei Lasse und mir. Es
fallen Dinge ins Wasser, er klettert vergebens in die Mastspitze weil er
das Werkzeug vergessen hat, er findet seine Schrauben nicht mehr,
Leinen vertüttern sich, er stößt sich 1000 Mal irgendwo usw.
„Schön zu sehen, dass es bei anderen auch so vor sich geht“, spaße ich
gegenüber David.
„Ja. Das ist überall so. Und manchmal denke ich daran einen großen
Hammer zu benutzen“, gibt David offen zu und muss lachen.
Als Dankeschön lädt David zu Wein und Chips mit Aioli Dip ein. Lasse
und ich erzählen mehr von uns als Teilzeitaussteiger, von unseren
Projekt und von unseren Studienplänen. David ist interessiert und
begeistert von unserer Ostsee Umseglung.
„Genau das richtige“, meint er.
Die nächsten Tage verbringen wir auf dem Vännern See. Der Vännern
ist elf Mal so groß wie der Bodensee und der drittgrößte Europas. Von
See kann da nicht mehr die Rede sein, finden Lasse und ich.
„Das ist ja viel mehr ein Meer“, bemerken Lasse und ich im Chor beim
betrachten der Seekarte.
Nach dem ersten Stop in Mariestadt, laufen wir einen Tag später Lackö
an. Lackö ist ein MUSS für jeden Vännernsegler. Hier findet sich ein
Naturhafen in einer traumhaft liegenden Bucht.
Das i-Tüpfelchen der Bucht ist ein Schloss. Direkt neben Hafen, ragt
ein auf Fels gebautes weißes Schloss hervor. Schon von weit her, ist es
gut auszumachen. Mit seiner ganzen Pracht dient es als tolle
Fotovorlage.
Wir besichtigen das Schloss. Der Eintritt zur Schlossbesichtigung kostet
uns nichts. Bis zum 27. Lebensjahr darf man hier für umsonst Kultur
und Geschichte tanken.
„Ganz schön großzügig“, finde ich.
Weil uns dieses Fleckchen Erde so gut gefällt, beschließen wir einen
weiteren Tag hier zu verbringen. Wir sind gut im Zeitplan und es weht
stark aus der falschen Richtung. Warum also aufbrechen? David sieht
es genauso und bleibt zusammen mit uns vor Ort.
Nach einem Ruhetag also brechen wir auf. Die Wettervorhersage ist
nicht gerade prickelnd. 5-6 Windstärken von vorn. Um uns ein
unangenehmes Manöver auf See zu ersparen, wechseln wir deshalb
schon im Hafen das Vorsegel. Das große Tuch, die Genua, kommt
runter. Die kleinere Fock wird hoch gezogen.
Der Wind weht zu unserem Glück doch nicht so stark wie vorhergesagt.
Nach 6 Std. an der Kreuz erreichen wir Dalbergsaa.
Zu beginn des Törn, hätte uns so ein Segeltag sicherlich viel Mut,
Schweiß und Kraft gekostet. Heute ist das anders. Wir kennen uns. Wir
kennen das Schiff. Wir wissen wann es zu viel wird. Das ist eine
wertvolle Erfahrung, die wir aus knapp 3000 Seemeilen mitbekommen
haben.
Dalbergsaa ist ein kleiner aber feiner Hafen. Es gibt Abendessen! Zur
Abwechslung gibt es heute mal... Nudeln mit roter Soße.
Am nächsten Tag haben wir mehr Glück mit dem Wind. Mit über 5 kn
kommen wir unserem Tagesziel Vänersborg schnell entgegen. Nach vier
Stunden segeln und einer Stunde unter Motor machen wir in
Vänersborg fest. Wir setzen zur Stadtbesichtigung an, kommen aber
schon nach einer halben Stunde zurück zum Schiff. Die Stadt hat kein
Charakter für uns. Kein Reiz. Hinzu kommt, dass der Hafen unserer
Meinung nach überteuert ist. Wir möchten weiter und lösen deshalb
wieder die Leinen.
Einen Tag vorher als geplant, beginnt unsere zweite Kanalreise: Der
Trollhättankanal.
Er ist misst nur die Hälfte der Länge vom Göta Kanal und steht in dem
Ruf nicht sonderlich schön zu sein. Oft wurde uns geraten den Kanal
an einen Tag zu durchqueren. Wir haben uns 3 Tage eingeplant und
möchten unsere eigenen Erfahrungen sammeln.
Da der Trollhättankanal primär für die Berufsschifffahrt gedacht ist,
läuft die Organisation der Brücken- und Schleusenöffnung anders als
auf den Göta Kanal. Hier im Kanal läuft alles über Funk. Auf Kanal 9
kann der Skipper die Brücken- und Schleusenöffnung anordnen. Für
mich bedeutet es das reinste Paradies. Ich habe tierischen Spaß am
Funken und freue mich wie ein kleines Kind zu Weihnachten über jede
Brücke und Schleuse die wir von nun an passieren werden.
Das Schleusen im Trollhättankanal ist speziell. Theoretisch: Speziell
einfach. Die Schleusen sind groß und modern. Der Hub beträgt
zwischen 6 und 8 Metern. Durch ein bestimmtes Zweikammern-System
entstehen jedoch keine Turbolenzen. Klingt schon mal gut!
Der Nachteil bei diesen Schleusen ist, dass sie nicht für kleine Boote
geeignet sind. Ringe, Haken, Klampen oder sonstige Möglichkeiten um
eine Leine rüberzulegen gibt es kaum. Hinzu kommt, dass nur eine
Seite in der Schleuse eine durchgehende Wand hat. Die andere Seite
besteht aus abgeschlagenem Fels und einigen wenigen Beton Säulen.
Hierzu möchte ich gerne Folgendes erzählen:
Unsere erste Schleuse im Trollhättankanal:
Von einem bekannten Segler haben wir den Hinweis bekommen, dass
wir unbedingt die Backbordseite (links) zum festmachen in den
Schleusen benutzen sollen. Eben um nicht auf die falsche Seite zu
geraten. Die falsche Seite zu erwsichen ist laut ihm eine Freikarte zu
einem zerkratzen Rumpf! Wir folgen den Hinweis und packen alle
unsere Fender an Backbord.
Etwa 200 m vor der Schleuse bemerke ich eine Randnotiz auf der
Seekarte:
“Die westliche Seite in der Schleuse eignet sich zum festmachen für
kleine Boote”.
Ich blicke erneut auf die Seekarte. Lese den Hinweis noch einmal und
stelle fest, dass wir demnach die Fender auf der falschen Seite haben.
Schite!
Im Eiltempo packt Lasse die Fender von Backbord nach Steuerbord.
Wir laufen in die Schleuse ein. Ich denk ich guck nicht richtig! Wir
liegen an der falschen Seite. Die Schleusentore schließen. Es bleibt
keine Zeit mehr um die Fender und die Seite zu wechseln. Wir müssen
das beste daraus machen. Mit Bootshaken halten wir uns immer wieder
ab von dem unebenen Felsen ab. Alles geht gut.
Aber warum zum Teufel ist es so weit gekommen? Hab ich Westen und
Osten vertauscht? Nein.
Kurze Zeit später entdecken wir den Fehler. Die Seekarte ist falsch.
Unsere Seekarte ist von einem schwedischen Verlag mit deutschen
Übersetzungen. Kurz: Der Übersetzer hat gepfuscht. Auf schwedisch
heißt der o.g. Satz: “Die westliche Seite in der Schleuse eignet sich
NICHT zum festmachen für kleine Boote”.
Ich verfluche den Übersetzer dieser Karte.
Drei Brücken später erreichen wir Trollhättan. Im Hafen treffen wir ein
deutsches Segelpaar wieder. Wir haben die beiden sympathischen
Segler seit Söderköping im Göta Kanal immer wieder mal getroffen. Ihr
Schiff: Die Hinnerk. Schickes Teil!
In Trollhättan liegen drei Schleusengenerationen direkt nebeneinander.
Wir sind begeistert von dem wortwörtlichen HANDwerk. Für uns eine
unfassbare Leistung. Ebenfalls sehenswert sind die Wasserfälle in
Trollhättan. Hier wird das 24 stundenlang aufgestaute Wasser auf
einmal durchgelassen, oder viel mehr durchgeschossen.
Am Nachmittag verlassen wir Trollhättan und tuckern nach Lila Edet.
Lila Edet ist nicht schön. Weder Hafen noch Stadt sind ein echter
Hingucker.
In Lila Edet treffen wir David wieder. Dieses Mal laden wir Ihn zu uns
ins Cockpit ein. Während er an Bord kommt spricht er laut:
“Das ist ein schickes kleines Boot. Es erinnert mich an einen
türkischen Weltumsegler. Ein Freund von mir. Wir haben zusammen
den Indischen Ozean überquert.”
“Danke. Das stimmt. Es gibt Weltumsegler mit viel kleineren Boot.”
“Wie du siehst: Du hast keine Entschuldigung mehr, Daniel.”
Früh am nächsten Morgen verlassen wir Lila Edet. Anstatt in
Schwedens fadeste Betonsstadt lange zu verweilen, möchten wir lieber
mehr Zeit in Kjälvna verbringen. In Kjälvna erwartet uns ein kleiner
Naturhafen direkt an einer Burgruine. David mag Burgen. Er kommt
mit.
Der Trollhättankanal besteht zu 90% aus dem natürlichen Flusslauf
Göta Älv. Einzig die Schleusengebiete wurden ausgegraben. Wir fahren
Flussabwärts mit einer mitlaufenden Strömung von bis zu zwei Knoten.
Zum Baden ist das schlecht. Für uns und die Bordkasse ist es gut.
Diesel sparen.
Der Hafenführer hat nicht zu viel versprochen. Eine tolle Anlegestelle
in Kjälvna. Es ist heiß. Sehr heiß. Zusammen mit David besichtigen wir
die mittelalterliche Burg. Nach einer Stunde staunen, haben Lasse und
ich genug. Wir gehen zurück an Bord. David hingegen bleibt noch da.
Er zeichnet gerne, und sucht nach dem passenden Panorama.
Zurück am Schiff kühlen Lasse und ich uns ab. Mit dem Kopfsprung
gehts in den Göta Älv.
Zwei Stunden später kommt auch David zurück. Er zeigt uns seine
Zeichnungen. Lasse und ich verstehen nicht sehr viel von Kunst.
Unsere gemeinsame Kunstnote ergibt in der Summe 14 Punkte. Unser
fachmännisches Urteil David gegenüber lautet:
“Wow. Das ist ja besser als Fotografiert”
Die Bilder von David gefallen uns wirklich sehr gut.
Es ist der 23. August 2013. Lasse und ich brechen zu unseren letzten
gemeinsamen Törn auf. Heute geht Lasse von Bord. Sein Studium fängt
in einer Woche an. Janina, seine Freundin, holt meinen Mitsegler in
Göteburg ab. Ein Abschlussgrillen mit Plop-Bier gibt es aber noch.
Vor 125 Tagen sind Lasse und ich in Flensburg gestartet. Wir haben die
Leinen zu unseren größten Abenteuer gelöst. Über vier Monate, neun
besuchte Länder und 3.000 Seemeilen im Kielwasser. Die Erlebnisse
haben wir, wie unseren 8m2 Lebensraum geteilt. Die Reise hat unsere
Freundschaft geprägt.
Vor der Abfahrt gab es Stimmen, die uns das monatelange Leben auf
engsten Raum nicht zugetraut haben.
“Da müsst Ihr Euch doch mal zanken”. Nein. Haben wir nicht.
Lasse, danke dass ich in Dir nicht nur den besten Mitsegler sondern
auch den engsten Freund gefunden habe. Viel Spaß, Erfolg und Freude
bei deinem Studium. Das Studium: Ostsee hast du mit einer 1+
bestanden. Nach der Reise ist vor der Reise - wir haben schon darüber
gesprochen.
Nach einen Tag alleine an Bord, stehen mein Bruder Kim und Freund
Lars an der Pier. Für die letzten zwei Wochen dieser Reise sind Sie
mein persönlicher Lasse-Ersatz. Mit der Legat habe ich die beiden
direkt am Fährterminal abgeholt. Ich darf vorstellen:
Kim ist mein zwei Jahre älterer, aber 8 cm kleinerer Bruder.
Zusammen mit Lars sind wir in Oxbüll aufgewachsen. Die Freundschaft
besteht seit der Krabbelgruppe. Der Oxbüller Patriotismus verbindet
uns drei sehr. Über Kattegat, Anholt, Copenhagen, Svendborg und die
Dyvig möchten wir zurück nach good old Flense segeln. Ich halte Sie
auf den Laufenden!
Bis dahin liebe Grüße von den Oxbüller Jungs,
Daniel, Kim und Lars